Ich staune
Heute ist Tag Vier nach der Chemo. Gestern war mal wieder großer Schlaftag. Diesmal hielt sich zum Glück die Übelkeit in Grenzen, ebenso die Schmerzen. Doch „viel was schaffen“ kann ich trotzdem nicht. Genaugenommen noch nicht mal wenig. Selbst jetzt, während ich in den frühen Morgenstunden diese Zeilen schreibe, fallen mir immer wieder die Augen zu.
Wie kommt es dann, dass es gestern trotzdem leckeren Spargel zum Mittagessen gab? Dass die Fuchsie um- und Tomaten eingepflanzt sind? Meine geliebte Minze und diverse Kräuter, von Giersch befreit, sich besser entfalten können? Terrasse und Küche gekehrt sind?
Wie schon in den Monaten nach meiner OP und der sich anschließenden Zeit der großen Folfirinox-Chemotherapie haben mich immer wieder Freundinnen besucht, betreut, umsorgt. Mein Lebenspartner sowieso. Was wäre ich nur ohne sie?
Darüber hinaus erreichen mich Fotos und Grüße per Messenger und sogar (mittlerweile eine echte Rarität) handgeschriebene Postkarten. Ein selbstgemachter Brotaufstrich steht vor meiner Tür, ein Kuchen. Zum ‚Portfolio’ der mir angebotenen Freundlichkeiten gehören unter anderem eine Runde Staubsaugen, ein Spaziergang, ein Behördengang. Es gibt berührende Erlebnisse mit Menschen, die ich persönlich nicht kenne: zum Beispiel der Webdesigner, der die Erstellung meiner Blogseite trotz Arbeitsfülle einschiebt oder die Bekannte einer Freundin, die dieselbe Erkrankung hat wie ich – spontan telefonieren wir eineinhalb Stunden miteinander. Ich fühle mich verstanden und erfahre Ermutigung. Ich erlebe so viel Hilfsbereitschaft und Liebe. Oft kann ich es gar nicht fassen, bin voll von Staunen und Dankbarkeit.
Und dann berührt mich noch so viel mehr: eine Hand auf meiner Schulter, die mich segnet; meine Füße massieren; meine Hände halten; mein Atmen begleiten; für mich beten; gute Gedanken schicken.
So erlebe ich Menschen. So erlebe ich Gott.