Fragen über Fragen

Abendliche Wolkenfelder über Bad Wilhelmshöhe, Kassel, April 2025

Und wieder einmal kam es ganz anders als erwartet. Heute war ich pünktlich um acht Uhr in der onkologischen Praxis zur Blutabnahme. Da meine intensivste und längste zusammenhängende Schlafphase in den frühen Morgenstunden liegt, ist ein Termin zu dieser Tageszeit an sich schon nicht gerade ein „nice to have“ für mich. Womit ich allerdings überhaupt nicht gerechnet hatte, war, dass meine Blutwerte (vor allem die Leukozyten und ihre Familienmitglieder) so schlecht sind, dass die für morgen geplante Chemotherapie nicht durchgeführt werden kann.

Mal wieder dieses „weiße Rauschen im Kopf“ – leerer Kopf und tausend Gedanken gleichzeitig. Ich überlege: das war mir bei den zwölf Folfirinox-Chemos nicht ein Mal passiert. Und jetzt bereits nach der ersten – warum, wieso, weshalb? Welche Folgen hat das außer der Erfahrung, dass ich meine mühsam wieder aufgebauten (und mich so sehr erbauenden) kurz- und mittelfristigen Planungsüberlegungen (langfristig ist zurzeit sowieso aus meinem Denken gestrichen) nun wohl endgültig beerdigen kann. Auf meine Frage, woher die schlechten Werte kommen und was ich zur Verbesserung tun kann, erhalte ich nur ein routiniertes Schulterzucken und „abwarten“ und „das kommt öfter vor. Sie setzten erstmal eine Woche aus“. Ich habe ja noch gar nicht richtig begonnen, rumort es in mir. Wobei die Nebenwirkungen der ersten neuen Chemo mir ja noch immer „richtig“ zu schaffen machen.

Wie immer sickern die nächsten Fragen erst langsam durch: Im Treppenhaus: Die neuen Cytostatika-Pfeile sollten doch möglichst zeitnah und kraftvoll hintereinander abgeschossen werden? Also ein neuerlicher Sieg – oder zumindest Kraftgewinn für den Widersacher? Beim Frühstück: Wenn der Krebs sich nun bis ins Knochenmark vorgefressen hat und meine Leukos verspeist? Ein Ohnmachtsgedanke. Warum ist nicht immer und sofort, wenn neue Fragen in mein Hirn purzeln, jemand da, der/die meine ??? kompetent und vor allem mit für mich bestmöglichem Outcome in fröhliche !!! verwandelt. Zum Frühstück gibt`s jetzt Tränen zum Tee – und ich merke, wie sehr ich am Leben hänge.

Vielleicht will mein Körper auch nicht mehr kämpfen? Zumindest nicht mit diesen Waffen.

Ich merke immer deutlicher, dass ich mehr Informationen haben möchte. Heute vor zwei Wochen war das Gespräch mit dem Onkologen. Sein Arztbericht und der dem zugrunde liegende Bericht der Tumorkonferenz liegen noch immer nicht vor (ich habe heute wieder nachgefragt). Dann könnte meine Tochter (Ärztin) mir schonmal einiges erklären und versuchen (versuchen!!!- angeboten hatte er es!) ein Telefonat mit dem Arzt zu führen. Wieder einmal warten. Unsicherheiten aushalten. Eine Dauerübung bei dieser Krankheit.

Nach dem Frühstück durfte ich dann eine wunderbare Erfahrung der ganz anderen Art machen. Ich nahm an einem „Heilenden Kreis“ teil. Aus Begegnung und Berührung nahm ich ganz viel Stärkung, Ruhe und ein tröstliches Bild mit. Ein spirituelles Erleben. Ohne jedes Heilsversprechen. Davon vielleicht ein anderes Mal mehr.

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